Persönlichkeiten

300 Jahre Amtsantritt von Johann Sebastian Bach in Leipzig

Bach in Leipzig – 1723 bis 1750

Thomaskirche und Thomasschule in Leipzig 1723

Thomaskirche und Thomasschule in Leipzig 1723

Wenn man, nach Meinung des Leipziger Rates, die Besten nicht haben kann, müsse man sich mit der Nummer zwei zufriedengeben. Die Nummer zwei war Bach. Genommen wurde er wohl, weil die weiteren Bewerber an ihn nicht heranreichten und der Rast einen würdigen Nachfolger für Kuhnau suchte.

Im Vertrag mit der Stadt musste sich Johann Sebastian Bach verpflichten, die Stadt nicht ohne Erlaubnis des Bürgermeisters zu verlassen und die Knaben des Thomanerchors nicht nur in Gesang, sondern auch in den Instrumenten zu unterrichten. Man wollte Geld sparen.

Die feierliche Amtseinführung von Johann Sebastian Bach in Leipzig fand am 31. Mai 1723 statt. Konsistorium und rat gerieten dabei fast aneinander, denn das Konsistorium hatte, nach Ansicht des Rates, Forderungen gestellt, die ihm nicht zustanden. Das Amt des Thomaskantors und Stadtmusikdirektors war ein städtisches. Die Rivalitäten der beiden Behörden begleiteten Bachs Wirken in Leipzig sein Leben lang, störten ihn aber nicht, sondern kamen seinem Unabhängigkeitsbedürfnis entgegen.

An der Thomasschule nahm Bach unter den sieben Lehrern als Kantor den 3. Platz ein und war nur zu drei Unterrichtsstunden täglich verpflichtet. Gesangsunterricht gab Bach Montag bis Mittwoch um 09.00 Uhr und um 12.00 Uhr. Am Donnerstag hatte er frei, Freitag gab er eine Gesangsstunde um 12.00 Uhr. Am Samstagnachmittag nach der Vesper fanden die Proben zur Kantate statt. Man warf Bach vor, es mit dem Gesangsunterricht nicht so genau genommen und ihn öfters älteren Schülern überlassen zu haben. Ob das so war, lässt sich nicht mehr feststellen, ganz unberechtigt dürften die Vorwürfe aber nicht sein. Bachs Arbeitstag an der Thomasschule bestand aus zwei bis drei Stunden täglich – überlastet war er nicht und hatte die notwendige Zeit, um zu komponieren. Sein Gehalt gibt Bach in einem Brief mit siebenhundert Talern an, dazu kamen Schulgeld und Bezüge aus Legaten. Die Haupteinnahmequelle von Johann Sebastian Bach waren Brautmessen und Begräbnisse, von denen er seinen Anteil erhielt.

Christiana Mariana von Ziegler

Christiana Mariana von Ziegler

Für Bach war es schlecht, wenn wenig gestorben wurde, so 1729. Bach selbst erzählt, die Luft sei so gesund gewesen, dass er an ordinären Leicheneinnahmen über 100 Taler Verlust gehabt hätte. Die Leipziger wollten einfach nicht sterben. Auch beklagte er sich, dass wohlhabende Bürger ihre Trauungen in benachbarten Dorfkirchen abhielten, um das Geld zu sparen oder sich gar ohne Musik und Gesang begraben ließen.

Für Johann Sebastian Bach war 1729 ein schlechtes Jahr, für die Nachwelt war es ein gutes, es war das Jahr, in dem Bach die Matthäuspassion komponierte.

Das beste Pflaster war Leipzig für Musiker nicht. Zwar hielten die Bürger viel von Kunst, gaben aber wenig Geld dafür aus. Die Dichterin Christiana Mariana von Ziegler, in deren Haus am Brühl viel musiziert wurde, beklagte die schlechte Bezahlung der Musiker.

Das Einkommen des neuen Thomaskantors war aber nicht allzu schlecht. Er konnte seine große Familie redlich durchbringen, ließ seinen Kindern eine gute Ausbildung zukommen, war guter Gastgeber und hinterließ bei seinem Tod eine umfangreiche Musikinstrumentensammlung und ein Barvermögen, dass ihn für die damalige Zeit als wohlhabenden Mann auswies.

Sehr viel schlechter war es um die Thomasschule in Leipzig bestellt. Bach traf die Schule im Niedergang an. Rektor und Rat waren sich darüber schon lange im Klaren, erließen neue Verordnungen, geändert hat sich nichts. Bachs Vorgänger, Johann Kuhnau, hatte sich an den Zuständen an der Thomasschule aufgerieben. Die Schulräume waren schlecht und zu klein, Disziplin gab es kaum, der Rektor, Johann Heinrich Ernesti, war ohne Elan. Auch der Thomanerchor selbst war von musikalischer Qualität weit entfernt. Grund war wohl auch, dass der Leipziger Rat eher sparsam, um nicht zu sagen geizig war, mit der finanziellen Ausstattung von Schule und Chor.

Georg Philipp Telemann

Georg Philipp Telemann

Mit Gründung des collegium musicum durch Georg Philipp Telemann 1701 war Konkurrenz für den Thomanerchor entstanden. Die Neukirche, an der Telemann als Organist wirkte, wollte sich von der traditionellen Kirchenmusik abwenden. Und auch die Universitätskirche St. Pauli wollte sich abwenden.

In diese Situation kam Johann Sebastian Bach, der schon in seinem Amt in Arnstadt mit Kirchenchor nicht viel im Sinn hatte. Bachs Amtsantritt war begleitet von Versuchen der Universität, alte Stiftungen für den Thomaskantor nicht mehr auszuzahlen und Bachs Gegenversuch, die alten Rechte durchzusetzen. Bach ging dazu bis zum Kurfürsten nach Dresden. Bach gewann, beliebt machte er sich damit nicht. Die Universität rächte sich und bevorzugte bei der Komposition für Festlichkeiten den Universitätsmusikdirektor Görner.

1730 wurde Görner Thomaskantor, behielt aber sein Amt als Universitätsmusikdirektor. Bach hat sich wohl mehr als einmal über Görner geärgert. Bei der Probe für eine Kantate soll Bach so in Rage geraten sein, dass er sich die Perücke vom Kopf riss. Bach und Görner scheinen sich arrangiert zu haben, Görner wurde nach dem Tod von Johann Sebastian Bach Vormund über vier Kinder.

Bis 1729 gab es zwischen Johann Sebastian Bach und dem Leipziger Rat keine besonderen Vorkommnisse. Bach fand sich ab mit dem, was er vorfand, tat seine Pflicht und kümmerte sich um die Gottesdienste in der Nikolaikirche und der Thomaskirche.

Aus den 55 Alumnen an der Thomasschule mussten vier Chöre geformt werden – für St. Thomas, für St. Nikolai, für die Neukirche und für die Peterskirche. Die Qualität der Chorknaben nahm mit der obigen Reihenfolge der Kirchen ab.

Bachs eigenhändiger Namenszug auf dem Deckblatt der Kantate Gott ist mein König, 1708. Er schreibt sich italienisch als Gio. Bast. Bach (= Giovanni Bastiano Bach)

Bachs eigenhändiger Namenszug auf dem Deckblatt der Kantate Gott ist mein König, 1708. Er schreibt sich italienisch als Gio. Bast. Bach (= Giovanni Bastiano Bach)

Zu Ostern 1729 bahnte sich ein Konflikt zwischen Bach und dem Rat an. Schüler wurden an der Thomasschule aufgenommen, die Bach als musikalisch gänzlich ungeeignet befunden hatte. Als von ihm vorzüglich geeignete Knaben waren abgewiesen worden. Bach wurde Direktor des collegium musicum, womit der Zustand, dass die Studenten dem Thomaskantor unterstützend zur Seite standen, wieder hergestellt war, was dem Rat gefiel.

Die alten Stipendien für die Studenten bewilligte der Rat allerdings nicht. Der schlechte Zustand des Thomanerchors war schon 1729 bei der Aufführung der Matthäuspassion zutage getreten. An gute Kirchenmusik war nicht zu denken in Leipzig. Der Rat gab Bach die Schuld. Nach dem Tod des Rektors der Thomasschule Ernesti 1729 äußerte sich der Rat, man solle doch bei der Neubesetzung zu einer besseren Wahl kommen, als beim Thomaskantor. Bach hatte den Mut verloren, zudem war ein Organisationsmensch. Bach konstatierte, dass von den Alumnen nur 17 zur Musik zu gebrauchen wären, 20 noch nicht zu gebrauchen und 17 untätig seien.

Bach unterzeichnete seine Schrift an den Rat nur mit seinem Namen, ohne Ergebenheitsformel. Ein Affront. Der Rat war empört und reagierte. Ein neuer Lehrer für die Lateinstunden in den unteren Klassen wurde bestellt, den Bach zu bezahlen hatte. Die Besoldung wurde gekürzt, aus Stiftungen und Legaten bekam Bach nichts mehr. Im Oktober 1730 war Johann Sebastian Bach auf der Suche nach einer neuen Anstellung.

Die Anfeindungen des Rates gegen Bach sahen wohl einige Bürger Leipzigs anders. Man sprach von Anpöbelung Bachs durch seine Vorgesetzten und warf dem Rat vor, die Schaffensfreudigkeit Bachs gelähmt zu haben. Ganz so war es wohl nicht, denn gerade im Jahr der Krise 1730 bewilligte der Rat 50 Taler, um das Rückpositiv der Orgel in der Thomaskirche zu reparieren – einer der sehnlichsten Wünsche des Meisters.

Romanushaus am Brühl in Leipzig

Romanushaus am Brühl in Leipzig

Johann Sebastian Bach bewarb sich als Hofkompositeur in Dresden. Drei Jahre wartete er auf die erbetene Anstellung, doch Kurfürst Friedrich August II. von Sachsen hatte andere Sorgen – Unruhen in Polen. 1736 erhielt Johann Sebastian Bach seine Ernennung zum Hofkompositeur in Dresden. Seine Anstellung in Leipzig war damit nicht beendet, es folgten Streitigkeiten mit dem Rektor der Thomasschule.

Alles in allem – das Verhältnis zwischen Johann Sebastian Bach, dem Leipziger Rat und dem Thomasrektor war nur selten ungetrübt. Leipziger Bürger waren da anders, so auch Christiana Mariana von Ziegler. Die Tochter des Bürgermeisters Franz Conrad Romanus unterhielt in ihrem Haus am Brühl einen literarisch-musikalischen Salon. Häufiger Gast bei Frau von Ziegler war Johann Sebastian Bach. Von Ziegler war eine begnadete Dichterin und Bach verwendete neun ihrer Gedichte für seine Kantatentexte:

  • BWV 68 Also hat Gott die Welt geliebt
  • BWV 74 Wer mich liebet, der wird mein Wort halten, II
  • BWV 87 Bisher habt ihr nichts gebeten in meinem Namen
  • BWV 103 Ihr werdet weinen und heulen
  • BWV 108 Es ist euch gut, daß ich hingehe
  • BWV 128 Auf Christi Himmelfahrt allein
  • BWV 175 Er rufet seinen Schafen mit Namen
  • BWV 176 Es ist ein trotzig und verzagt Ding
  • BWV 183 Sie werden euch in den Bann tun, II

Bachs Weg von Eisenach nach Leipzig 1685 bis 1723

Bachs Tod, Vergessenheit und Auferstehung

Bachs in Leipzig heute


Quelle: Albert Schweitzer: Johann Sebastian Bach. VEB Breitkopf & Härtel Musikverlag Leipzig, 1961

Quelle:
www.wikipedia.de

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Autor: Mirko Seidel am 17. Apr 2023 07:58, Rubrik: Persönlichkeiten, Stadt Leipzig, Kommentare per Feed RSS 2.0, Kommentar schreiben,


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