Artikel

Gedanken zur Waldschlösschenbrücke in Dresden

Das Elbtal vom Lingnerschloss mit der Waldschlösschenbrücke

Das Elbtal vom Lingnerschloss mit der Waldschlösschenbrücke

Ich stehe auf der Terrasse des Lingnerschlosses in Dresden und lasse meinen Blick über das Elbtal schweifen. Der Fluss fließt träge durch die weite Aue.

Mein Blick wird gerahmt von zwei Brückenbauwerken – links das Blaue Wunder, rechts die Waldschlösschenbrücke. Das Bauwerk, das die Gemüter der Dresdener Bevölkerung jahrelang bewegte und dem Elbtal den Titel „Weltkulturerbe“ der UNESCO kostete.

Jahrelang wurde gestritten, Gegenkonzepte diskutiert und am Ende die Bevölkerung befragt. Die Mehrheit sprach sich für den Bau der Brücke aus, als der schon längst begonnen war. Nun ist die Waldschlösschenbrücke fertig und in Betrieb.

Sicher, ein architektonisches Meisterwerk ist sie nicht, die Waldschlösschenbrücke. Sie ist notwendig, um die Dresdner Innenstadt vom Verkehr zu entlasten, sagen die Befürworter. Und nach diesen Vorgaben wurde sie auch geplant – ein nüchterner Zweckbau, keine Repräsentation. Man kann sich fragen, warum die Waldschlösschenbrücke eine Bogenbrücke geworden ist, wo doch fast alle Dresdner Brücken flach sind? Wäre ein Architektenwettbewerb besser gewesen als eine rein ingenieurtechnische Konstruktion?

Was störte die Gegner an dieser Brücke? Die Silhouette der Dresdner Altstadt jedenfalls stört sie nicht, die ist von den Elbschlössern aus nicht zu sehen. Der Traum, an dieser Stelle einen Elbübergang zu schaffen, ist alt. Schon August der Starke wollte hier eine Brücke bauen, im 19. und 20. Jahrhundert gab es mehrere Überlegungen zur Elbquerung. Alle scheiterten an den ungünstigen Bauverhältnissen. Nun ist der Traum also wahr geworden, der für manche ein Alptraum ist.

Das Elbtal vom Lingnerschloss mit dem Blauen Wunder

Das Elbtal vom Lingnerschloss mit dem Blauen Wunder

Mein Blick schweift zum Blauen Wunder. Was haben wohl die Menschen vor über 100 Jahren zu dieser Brücke gesagt? Haben sie das Wunder aus Stahl geliebt oder es als blaues Monster betitelt, dass die Elbaue verschandelt? Wir wissen es nicht.

Fakt ist: das Blaue Wunder ist heute eine der wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Stadt Dresden und ein Wahrzeichen. Ein Wahrzeichen wird die Waldschlösschenbrücke sicher nicht. Dazu ist zu gewöhnlich, zu unspektakulär. Wegen dieser Brücke verlor das Elbtal den Status als Weltkulturerbe. Warum eigentlich? Der Titel Weltkulturerbe soll dazu dienen, die Spuren von Menschen aus vielen Generationen für die Nachwelt zu bewahren. Gleichzeitig soll er den in die Liste aufgenommen Stätten zu mehr Anerkennung und Aufmerksamkeit verhelfen. Darf ein solcher Titel aber dazu führen, dass jegliche Weiterentwicklung unterbleibt? Es ist ein Unterschied, ob eine Kirche oder ein Schloss den Titel Weltkulturerbe trägt oder von diesem Titel eine ganze Region betroffen ist.

Trotz des Verlustes des Welterbetitels der UNESCO wird die Stadt Dresden mit ihrem Elbtal ein Touristenmagnet bleiben. Etwas mehr Fingerspitzengefühl und planerische Sensibilität wären trotzdem wünschenswert gewesen.

Dresden hat viel zu bieten: die Silhouette der Altstadt. Die Frauenkirche, das Residenzschloss, den Großen Garten und Schloss Pillnitz. Die Waldschlösschenbrücke ist das, was es in Dresden auch viel gibt: ein nüchterner Zweckbau, ohne Pathos, ohne Repräsentation, eben einfach da und notwendig. Man wird sich an sie gewöhnen. Und wenn sie einmal alt und baufällig sein wird, vielleicht fällt dann Planern, Bürgern und Politikern etwas anderes ein.

Stichworte:
, , , , , , , , ,

Autor: Mirko Seidel am 26. Nov 2013 08:29, Rubrik: Artikel, Artikel & Berichte, Kommentare per Feed RSS 2.0, Kommentar schreiben,


Einen Kommentar schreiben

©2024 – architektur-blicklicht – Mirko Seidel, Sigismundstraße 3, 04317 Leipzig – Telefon: 0341 46 86 68 73
Touren, Tipps & Wanderungen per Rad, Auto und zu Fuß zu Burgen, Schlössern, Herrenhäusern, Kirchen, Industriebauten, Stadtansichten
in Leipzig, Sachsen & Mitteldeutschland
webdesign: agentur einfachpersönlich